Sonderkündigungsrecht in der Wohnungswirtschaft

Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge zweier Telekommunikationsunternehmen gegen das entschädigungslose Sonderkündigungsrecht abgelehnt, das in der Wohnungswirtschaft ab 01.07.2024 für Kabelfernsehverträge besteht. Hintergrund der Regelung in § 230 TKG (Telekommunikationsgesetz) ist, dass Entgelte für Kabelanschlüsse künftig nicht mehr auf Mieter umgelegt werden können.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerinnen errichten und betreiben Breitbandnetze zur Versorgung von Haushalten mit Kabelfernsehen. Dazu haben sie mit Wohnungswirtschaftsunternehmen langfristige Bezugsverträge abgeschlossen. 

Mit ihren Verfassungsbeschwerden und ihren damit verbundenen Eilanträgen wenden sich die Beschwerdeführerinnen unmittelbar gegen § 230 Abs. 5 Telekommunikationsgesetz (TKG). 

Diese Vorschrift räumt den Parteien solcher Bezugsverträge ab dem 01.07.2024 ein entschädigungsloses Sonderkündigungsrecht ein.

Wesentliche Entschädigungsgründe

Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge der zwei Telekommunikationsunternehmen abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen demnach nicht vor. 

Die Beschwerdeführerinnen haben nicht hinreichend dargelegt, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum Abschluss ihrer Verfassungsbeschwerdeverfahren schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG entstehen. Eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden steht noch aus.

Eine Aussetzung einer gesetzlichen Regelung, die Gewerbetreibende betrifft, kommt insbesondere in Betracht, wenn die unmittelbare Gefahr besteht, dass der Gewerbebetrieb unter Geltung und Vollzug der gesetzlichen Regelung vollständig zum Erliegen käme und ihm dadurch ein irreparabler Schaden entstünde.

Eine solche drohende Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz behaupten die Beschwerdeführerinnen nicht. Sie ergibt sich auch nicht aus ihrem sonstigen Vortrag. 

So unterfällt nur ein Teil der Wohneinheiten, die die Beschwerdeführerinnen mit Telekommunikationsdiensten versorgen, dem jetzt durch § 230 Abs. 5 TKG in Frage gestellten Geschäftsmodell. Ein vollständiges Erliegen des Geschäftsbetriebs ist damit nicht zu befürchten.

Eine irreparable Schädigung des Kundenstamms der Beschwerdeführerinnen ist ebenfalls weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ein Teil der Kundenbeziehungen ist von der angegriffenen Rechtsänderung von vornherein nicht betroffen. 

Im Übrigen verweisen die Beschwerdeführerinnen selbst darauf, es bestehe die Aussicht, ersatzweise neue Verträge mit den bisherigen Geschäftspartnern oder mit neuen Kunden abzuschließen.

Soweit die Beschwerdeführerinnen vortragen, die vorhandenen Geschäftsbeziehungen könnten nur zu deutlich schlechteren Konditionen fortgesetzt werden, reicht dies ebenfalls nicht aus. 

In tatsächlicher Hinsicht bleibt unklar, in welchem Umfang die Konditionen ungünstiger sind und wie sich dies prognostisch auf den Umsatz und das Betriebsergebnis der Beschwerdeführerinnen auswirken würde. 

In rechtlicher Hinsicht gilt, dass allein wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen, im Allgemeinen nicht geeignet sind, die Aussetzung von Normen zu begründen.

BVerfG, Beschlüsse v. 11.12.2023 1 BvR 1803/22 und 1 BvR 2058/22  1 BvR 2058/22 

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 18.12.2023

Anlass ist das entschädigungslose Sonderkündigungsrecht, das in der Wohnungswirtschaft ab 01.07.2024 für Kabelfernsehverträge besteht. Hintergrund der Regelung in § 230 TKG (Telekommunikationsgesetz) ist, dass Entgelte für Kabelanschlüsse künftig nicht mehr auf Mieter umgelegt werden können.

Siehe: Auswirkungen der TKMoG-Novelle auf die BetrKV und das TKG

Auswirkungen der TKMoG-Novelle auf die BetrKV und das TKG

Überblick

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts (TKMoG) wird die EU-Richtlinie 2018/1972 vom 11.12.2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz ist am 1.12.2021 in Kraft treten. Ziel ist es, den Rechtsrahmen für die Telekommunikationsdienste in der EU noch weiter zu vereinheitlichen.

Unter anderem wird mit dem TKMoG die Betriebskostenumlage entsprechend der Betriebskostenverordnung (BetrKV) für TV-Dienste in ihrer derzeitigen Form abgeschafft. Die monatlichen Kosten für die Nutzung und den Betrieb der dafür notwendigen Breitbandnetze sowie die Urheberrechtsabgaben an die TV-Sender konnten Vermieter bislang über die Betriebskostenabrechnung auf die Mieter umlegen.

Von der Abschaffung betroffen sind bundesweit über 12 Mio. Haushalte. Es ist wichtig, neue Möglichkeiten für eine kostengünstige und gleichzeitig zukunftssichere TV-Versorgung zu finden. Ziel sollte es sein, dass Verwaltungsunternehmen, Wohnungseigentümer und Vermieter sowie Netzbetreiber auch zukünftig auf Grundlage der neuen rechtlichen Regelungen vertrauensvoll zusammenarbeiten und für alle Beteiligte wirtschaftlich sinnvolle Lösungen gefunden werden.

1 Überblick über die Änderungen nach dem TKMoG in der BetrKV und dem TKG

Abschaffung Betriebskostenumlage

Die Umlagefähigkeit der in § 2 Nr. 15 a und b BetrKV geregelten Kosten zum Betrieb der Gemeinschaftsantennenanlage sowie Breitbandanschlüsse werden für Bestandsanlagen mit Wirkung ab dem 1. Juli 2024 abgeschafft. Als Betriebskosten umlagefähig bleiben ab dann nur noch die reinen Stromkosten für diese Anlagen sowie im Falle der Gemeinschaftsantennenanlagen die Prüfkosten für die Betriebsbereitschaft und die Einstellung durch eine Fachkraft (Wartung). Für nach dem 1.12.2021 errichtete, kupferbasierte Anlagen bzw. Netze entfällt die Umlagemöglichkeit auf die Mieter bereits, siehe § 2 Nr. 15 letzter SatzBetrKV.

Sonderkündigungsrecht für Bestandsverträge

Nach dem neuen § 230 Abs. 5 TKG kann jede Partei, also sowohl Wohnungseigentümer/Wohnungseigentümergemeinschaften und Vermieter als auch Netzbetreiber, einen vor dem 1.12.2021 geschlossenen Bezugsvertrag über die Belieferung von Gebäuden oder in den Gebäuden befindlichen Wohneinheiten mit Telekommunikationsdiensten frühestens ab dem 1.7.2024 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, soweit die Parteien für diesen Fall nichts anderes vereinbart haben. Etwaige in den laufenden Verträgen enthaltene Vertragsanpassungsklauseln sind vorrangig zu beachten. Laut der Regelung des § 230 Abs. 5 TKG berechtigt die Kündigung den anderen Teil nicht zum Schadensersatz.

Eine Vertragsanpassung ist selbstverständlich jederzeit möglich, wenn sich die Parteien einigen. In jedem Falle sollten Verwalter/Wohnungseigentümer/Vermieter prüfen, wem die eigentumsähnlichen Rechte am Hausnetz (Netzebene 4) zustehen und wer für die Funktionsfähigkeit dieses Netzes verantwortlich ist.