Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) - Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Die Einführung einer eAU hat der Gesetzgeber bereits am 18.09.2019 im Bürokratieentlastungsgesetz III (Drittes Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Drittes Bürokratieentlastungsgesetz) v. 22.11.2019, BGBl I, 1746) beschlossen. Ursprünglich sollte sie bereits zum 01.01.2022 starten. Nach zahlreichen Verzögerungen ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) zum 01.01.2023 gekommen. Nun werden auch die Arbeitgeber für die Arbeitsverhältnisse, die der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen, ab Beginn des Jahres 2023 in die Pflicht genommen. Sie müssen jetzt ihrerseits bei den Krankenkassen elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abrufen. Damit beschreitet der Gesetzgeber digitales Neuland für die AU-Bescheinigung, worauf sich vor allem die Arbeitgeber vorbereiten müssen.
Bisherige Rechtslage
Im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG - ohne Rücksicht darauf, ob er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat - verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (sog. Anzeigepflicht). Außerdem musste er gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG eine AU-Bescheinigung vorlegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauerte (sog. Nachweispflicht). Gesetzlich angeordnet ist die Vorlage am folgenden Arbeitstag gewesen; der Arbeitgeber konnte die AU-Bescheinigungsvorlage früher verlangen. Auch diese Verpflichtung bestand unabhängig von einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Dauerte die Arbeitsunfähigkeit länger als in der von dem Arbeitnehmer vorgelegten AU-Bescheinigung angegeben, so hatte der Arbeitnehmer eine neue Bescheinigung vorzulegen. Legte der Arbeitnehmer keine AU-Bescheinigung vor, so konnte der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung bis zur Vorlage verweigern (§ 7 Abs. 1 EFZG), es sei denn, der Arbeitnehmer hatte die Nichtvorlage nicht zu vertreten.
Änderung der gesetzlichen Rahmenvorschriften
Mit Wirkung zum 01.01.2023 wird die Vorschrift zur Nachweispflicht des Arbeitnehmers geändert.
Hierzu wurde ein neuer § 5 Abs. 1a in § 5 EFZG eingeführt. Diese Änderung korrespondiert mit der Änderung in § 109 SGB IV, der das Verfahren zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den Arbeitgebern regelt (vgl. Art. 11 Bürokratieentlastungsgesetz III, Art. 12b RentÜG, (Gesetz zur Entwicklung und Einführung einer Digitalen Rentenübersicht (Rentenübersichtsgesetz - RentÜG) v. 11.02.2021, BGBl I, 154.), Art. 4b Gesetz zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen (Gesetz zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen v. 23.03.2022, BGBl I, 482.).
Unberührt hiervon bleibt die Anzeigepflicht des Arbeitnehmers. Dieser hat auch künftig seinem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG).
Nachweis der Arbeitsunfähigkeit seit 01.01.2023
Mit den neuen Vorschriften einher geht eine Änderung der Nachweispflicht für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer. Wie bisher – stellen sich Arbeitnehmer in einem ersten Schritt bei einem Arzt vor und lassen von diesem die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen; zugleich ist die Ausstellung einer AU-Bescheinigung erforderlich.
In einem zweiten Schritt unterrichtet der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über die festgestellte Arbeitsunfähigkeit. Anders als bisher händigt er dem Arbeitgeber jedoch nicht mehr die AU-Bescheinigung in Papier aus.
Stattdessen ruft der Arbeitgeber in einem dritten Schritt die Daten elektronisch bei der zuständigen Krankenkasse ab. Der Arbeitgeber kommt damit einer Holschuld nach. Die Krankenkasse hält folgende Informationen für ihn bereit:
- Name des/der Beschäftigten,
- Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit,
- Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
- Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
- Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.
Wenn die Krankenkasse feststellt, dass die Entgeltfortzahlung wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten ausläuft, ist vorgesehen, dass sie dem Arbeitgeber automatisch eine entsprechende Meldung übermittelt; er muss diese also nicht aktiv abrufen.
Der Arbeitgeber kann auch einen Dritten (z.B. den externen Gehaltsabrechner) mit dem Abruf der Meldung bei der Krankenkasse beauftragen.
Sonderfälle, u.a. private krankenversicherte Arbeitnehmer
- Arbeitnehmer mit privater Krankenversicherung
Bei Arbeitnehmern mit privater Krankenversicherung bleibt alles beim Alten. Diese haben ihrem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen, sofern der Arbeitgeber dies nicht vertraglich oder im Einzelfall durch Weisung bereits zu einem früheren Zeitpunkt verlangt. Entsprechendes gilt bei einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Nichtvertragsarzt (also z.B. im Ausland); auch in diesem Fall bleibt es bei dem Prozedere nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 EFZG.
- Geringfügig Beschäftigte
Ausgenommen sind zudem alle geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten. Für die übrigen geringfügig Beschäftigten gelten die neuen Vorschriften wie für alle übrigen Arbeitsverhältnisse.
Empfehlungen für den Arbeitgeber – technische Umsetzung
Arbeitgeber sollten die Änderungen zum Anlass nehmen, die technische Umsetzung, insbesondere die Schaffung der erforderlichen IT-Schnittstelle mit den Krankenkassen, zügig in Angriff zu nehmen. Im Regelfall werden dazu Abstimmungen mit dem jeweiligen Softwareanbieter erforderlich machen.
- Neueintritte
Es empfiehlt es sich zudem, die Arbeitsverträge für Neueintritte an das neue Regelungsregime anzupassen. Zunächst dabei zu berücksichtigen, dass das Gesetz künftig zwischen privat und gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern differenziert, aber auch dass sich der Versicherungsstatus des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses ändern kann. Auch den vorgesehenen Ausnahmen, insbesondere für Fälle der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Nichtvertragsarzt, ist insoweit Rechnung zu tragen. Ein bloßer Verweis auf das EFZG könnte gegen die neuen Vorschriften des Nachweisgesetzes verstoßen.
- Bestehende Arbeitsverträge
Eine Anpassung bestehender Verträge mit gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern ist hingegen nicht zwingend erforderlich. Klauseln, welche die alte Rechtslage abbilden, werden mit dem Jahreswechsel schlicht unwirksam. An ihre Stelle treten die neuen gesetzlichen Regelungen, wie sie bereits in § 5 Abs. 1a EFZG aufgenommen wurden.
Allerdings ist zu beachten, dass die gesetzlichen Regelungen Arbeitnehmern erst für den vierten Tag einer Arbeitsunfähigkeit die Verpflichtung auferlegen, die Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Soweit Arbeitgeber den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit generell früher bei der Krankenkasse abrufen möchten, könnte eine entsprechende individualvertragliche Regelung getroffen werden. Dabei ist in Betrieben mit einem Betriebsrat bei einer solchen allgemeinen früheren Feststellungspflicht der Arbeitnehmer dessen Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beachten.
- Geringfügig Beschäftigte
Wenn geringfügig Beschäftigte eingesetzt werden, kennt der Arbeitgeber die Krankenkasse bisher nicht, weil er ausschließlich mit der Minijob-Zentrale als zuständiger Einzugsstelle kommuniziert. Aus diesem Grund ist es zukünftig auch erforderlich, dass Minijobber Angaben zu ihrer Krankenkasse machen. Dafür bietet sich hier die Abfrage bereits bei Beschäftigungsbeginn im Einstellungsfragebogen an.
Stand: Januar 2022